Nach WOMANs erfolgreichem Auftritt am Nachmittag des zweiten Tages des Appletree Garden Festivals, haben wir uns mit den drei sympathischen Kölnern am Abend getroffen und unter anderem über die Kölner Musikszene, die EP Fever und das aktuelle Zeitgeschehen gesprochen.
Es war eigentlich schon immer die Aufgabe der Musik oder der Kunst ein Abbild der Gesellschaft zu kreieren.
Was gebt ihr der Kölner Musikszene und was gibt die Kölner Musikszene euch?
Carlos: Köln wird ja immer als größtes Dorf Deutschlands betitelt. Alle kennen sich und da gibt es immer direkt diesen Klüngel Aspekt, wo Außenstehende sagen: „Eine Hand wäscht die Andere“. Aber so ist es gar nicht. Es ist schön zu sehen was in Köln passiert und das stärkt einem auch den Rücken. Ich bin aber zum Beispiel kein Fan von dem Ausdruck Sound Of Cologne, wenn man über Kölner Bands redet. „Hier ist der neue Jahrgang und das wird der neue Sound Of Cologne.“ Ich finde, dass es eher einem großen Klassenzimmer ähnelt. Man ist sich sehr nahe, man merkt was bei den anderen passiert und man trifft sich in der Stadt, weil die Innenstadt auch nicht besonders groß ist. Somit bekommt man mit was bei den anderen passiert und man selber kann auch etwas zurückgeben. Was wir geben und nehmen geschieht viel mehr im direkten Kontakt, im Gespräch mit den Leuten, mit dem Künstler selber. Es ist schön dann auch Konzerte zusammen zu spielen. Es gibt einen Kreis von Menschen die immer wieder auf den Konzerten auftauchen und sich alles angucken. Das ist schon ganz schön, das ist ein wenig eine Musikenklave.
Was schätzt ihr am jeweiligen anderen Bandmitglied in musikalischer Hinsicht, damit WOMAN funktioniert?
Carlos: Das gibt mir, wie die Kölner Musikszene, ganz viel Sicherheit mit den anderen beiden Musik zu machen. Aber genau das Gegenteil eigentlich. Wir machen beispielsweise alleine Skizzen. Die gibt man dann einem anderen Bandmitglied und der fängt an etwas zu ändern. Dann hat man nie die Sicherheit, dass die andere Person die Skizze so ausarbeitet, wie man es selber machen würde. Im Gegenteil – man wird immer wieder überrascht und das schätze ich zum Beispiel an Milan. Er denkt ganz anders am Schlagzeug als ich mir das Schlagzeug vorstelle, weil ich kein Schlagzeuger bin. Er spielt dann Rhythmen die mir nicht einfallen, obwohl ich total rhythmusaffin bin. Das lenkt das Ganze wieder in eine andere Richtung und wir wissen wir können uns aufeinander verlassen, wir sind ja auch Freunde. Man inspiriert sich gegenseitig und das ist total wichtig.
Milan: Ja, genau. Es ist so, dass man nicht weiß was passiert wenn man mit den jeweils anderen interagiert.
Manuel: Carlos hat das schonmal aufgegriffen. Ich glaube das Wichtigste was zwischen uns drei immer ist, ist gar nicht das Musikalische, sondern dass wir Freunde sind. Heutzutage ist das selten, dass jetzt wirklich drei beste Freunde zusammen musizieren und man sich bis ins kleinste Detail kennt und somit empathischer sein kann, wenn es darum geht Instrumente in die Hand zu nehmen, antizipieren zu können. Das ist ein ganz wichtiger Punkt, diese Chemie.
Carlos: Wir kennen uns bis ins kleinste Detail aber wir schaffen es immer wieder uns zu überraschen. Das ist ja eigentlich, wenn man das auf eine Beziehung münzen würde, das was man immer wieder haben will. Das was einen am Ball hält.
Auf der EP zeigt ihr eine gewisse Vielschichtigkeit. Wie sieht das in naher Zukunft aus? Ist ein Album angedacht?
Carlos: Ja, die EP ist vielschichtig, weil uns das auch wichtig ist. Man muss dazu sagen, dass die Songs einen dreijährigen Reifeprozess hinter sich haben. Die Band bestand sehr lange ohne ein Release und das hört man der EP auch an. Es ist für uns jetzt ein Anspruch, das jetzt auch auf Albumlänge zu schaffen. Es ist jetzt das erste Mal ein richtiges Momentum aufgekommen, wo wir sehr schnell arbeiten und dabei ist uns aufgefallen, dass es genauso wie bei der EP vieles Vielschichtige gibt. Wir finden es immer sehr spannend wenn Künstler einfach ein großes Spektrum aufweisen können.
Ein Album ist also in Planung?
Carlos: Ja, wir arbeiten daran. Wenn alles so funktioniert wie wir es uns vorstellen ist es Anfang nächsten Jahres da.
Ihr haltet an dem Konzept EP / Album fest. Weshalb? Heutzutage ist es oft so, dass es gerade im kommerzialisierten Popsektor viele Künstler gibt, die ausschließlich Singles veröffentlichen.
Carlos: Auf der einen Seite liegt es daran, wie wir gelernt haben Musik zu konsumieren. Das war über das Medium Schallplatte. Es war so, dass du eine Platte sehr bewusst auflegst und das Konzeptalbum damals noch was ganz anderes bedeutet hat. Nämlich, dass du ein plastisches Medium nehmen musstest und dann auf einen Schallplattenspieler gelegt hast, um es dann zu hören und währenddessen hast du dir das Albumcover angeschaut. Es ist vielleicht überholt, aber es ist ein sehr bewusster Umgang mit dem Medium Musik und uns gefällt das allen sehr gut. Was nicht heißt, dass es von uns nie eine Singleauskopplung geben wird. Aber das war für uns der natürlichste Weg und wir haben jetzt auch nicht viel drüber diskutiert. Aber wenn wir Lust haben eine Singleausskopplung zu machen, dann machen wir das. Wenn wir das Gefühl haben, man muss etwas highlighten.
Milan: Wenn ich mir einen iPod von Freunden anschaue, dann sehe ich da immer ganz viele Künstler und oft wenn man auf die Künstler draufklickt dann ist da ein Lied in der Playlist oder vielleicht zwei. Das habe ich nie gemacht und nie verstanden. Ich möchte Künstler immer im ganzen wahrnehmen und das funktioniert nur wenn man auch das ganze Album vor sich hat.
Manuel: Wenn ich jetzt mal ein wenig radikaler werden darf. Ich finde das Konzept nur Singles zu veröffentlichen geht gar nicht. Ich verstehe nicht, wie man das machen kann. Von einem guten Buch liest oder veröffentlichst du ja auch nicht nur zehn Seiten. Es gibt grade viel zu wenige Künstler, die sich sowas zu Herzen nehmen und sagen: „Hey! Wir machen jetzt einen 40 Minuten Track! Das müssen sie aushalten können!“ Heutzutage ist alles schnelllebig und die Single geht hier rein, hier wieder raus. Leute müssen sich wieder mit Musik beschäftigen. Ein Album anhören und dann fragen: Was wollte mir dieser Künstler sagen? Und dagegen ist das Auskoppeln von Singles genau das Gegenteil. Wir müssten alle ein bisschen weiter. Wie soll das denn weitergehen? Es gibt Tausend Künstler, jeder hat eine Single, wer bleibt dir noch im Ohr hängen?
Carlos: Was bleibt dir mehr hängen? Dark Side Of The Moon oder eine Singleausskopplung aus den letzten zehn Jahren. Bei mir ist das halt DSOTM. Ich bin kein Internet-Hasser, aber die Leute haben eine Aufmerksamkeitsspanne, die sich so minimiert hat in den letzten paar Jahren. Alles ist sofort verfügbar und du hast die Möglichkeit sofort alles abzurufen. Dann macht es für einen Künstler mehr Sinn die drei Minuten Aufmerksamkeitsspanne abzugreifen als 50 Minuten, weil sich niemand mehr ein Album in der Gänze anhört.
Die EP hätte man vom Inhalt her auch auf Albumlänge ausdehnen können. Ich finde es erstaunlich, das einfach soviel auf eine EP passt.
Manuel: Ich finde es schön, dass du das so sagst. Auch bei unserem Freundeskreis… ok das sind unsere Freunde, das zählt jetzt nicht (lachen). Wir haben das Gefühl, dass wir da eine Platte gemacht haben, die Leute halt auch einfach trifft, die sie berührt und darum geht es doch. Das schafft man nicht mit einem dreieinhalb Minuten Song.
Zieht ihr das Album als Konzeptalbum auf?
Carlos: Ja, das wäre auf jeden Fall ein Plan, aber ich würde das Konzept nicht unbedingt auf ein Album oder ein Release beschränken, sondern einfach auf die Art und Weise, wie wir Musik machen. Genauso wie wir halt Musik konsumieren, machen wir auch Musik und das Konzept ist Leute zu berühren und wir würden uns dann halt Gedanken darüber machen wie wir das machen können. Sicherlich kommt dann sowas wie ein Konzept auch zur Sprache, aber ich glaube das Konzept muss erst sein. Wie schaffen wir es am treffendsten die Leute zu berühren und abzuholen. Aber auch eine narrative Perspektive einzubringen.
Manuel: Wie können wir die Leute berühren? Klar, einerseits wollen wir halt gut klingen, aber das ist nur die halbe Miete. Welches Gefühl ist gerade in dir, in mir, in uns drin? Das kann vielleicht auch unangenehm sein. Wir leben auch gerade in einer Zeit, in der wir alle nervös, ängstlich und unsicher sind. Es war eigentlich schon immer die Aufgabe der Musik oder der Kunst ein Abbild der Gesellschaft zu kreieren.
Aber das macht die kommerzielle Musik nicht.
Carlos: Ja! Der fatale Fehler bei der kommerziellen Musik ist, dass Dinge ausgespart werden, was nicht immer so war. Es gab mitunter Zeiten wo das noch schlimmer war und es gibt auch immer Acts, die das Weltgeschehen ignorieren. Das ist völlig legitim. Aber das wäre nie unser Weg. Das heißt nicht, dass wir eine politische Band sein müssen, aber dass wir alle in einem Bewusstsein leben, das zu thematisieren was gerade stattfindet. Wir verstehen uns als Künstler, die das als Menschen verarbeiten. Auf einer gewissen Art und Weise schwingt das immer mit und wenn man mit offenen Augen durch das Leben geht und nebenbei Musik macht, dann ist das für uns ganz selbstverständlich, dass das mit einfließt.
Schreibt ihr eure Songs gemeinsam?
Carlos: Wir schreiben die Songs zusammen, aber vielleicht nicht immer in diesem konventionellem Weg, immer am selben Ort zu sein. Im Computerzeitalter ist das ja sehr einfach und sehr schön, dass man einfach eine Idee festhalten kann und diese schon ein wenig konkretisiert. So wie man sich das beim Fotoshooting als mood vorstellt. In diese Richtung soll es gehen, so kann man das präsentieren und zusammen machen wir dann daraus etwas, was hinterher zu einem WOMAN Song wird. Aber bei uns im Entstehungsprozess wird fast mehr geredet als Musik gemacht.
Ihr geht nicht ausschließlich den digitalen Weg? Beispielsweise werden Demos hochgeladen, die sich der jeweilige Andere anhört?
Manuel: Das hatten wir mal probiert, aber das ist so unpersönlich. Das muss schon so sein, dass derjenige das vorspielt und die Reaktion direkt sieht. Dann weiß man „Ok, das war jetzt scheiße“ oder „Das war richtig gut“. Man muss nicht groß nachfragen. So gut kennen wir uns halt auch schon.
Ein Smiley kann also nicht alles wiedergeben?
Alle lachen: Nein!
Fotos: Elena Pifeas.
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