Brandt Brauer Frick – Joy

Als Berliner Trio spielte sich das Ensemble um Brandt Brauer Frick bereits vor einigen Jahren einen Kultstatus ein und glänzte mit der Neuinszenierung von technoiden Beats und verschiedenster Instrumentalisierung. Daniel Brandt, Jan Brauer und Paul Frick vollbrachten kreative Höchleistungen mit einer stetigen Weiterentwicklung, die sich auf die Produktion elektronischer Tanzmusik spezialisierte und versuchte sie in unkonventionelleren Methoden umzusetzen, sodass jede Kombination von Instrumenten in ihrem Endresultat von besonderen Rhythmen zeugt. Ende Oktober kehrten sie nun mit neuen innovativen Sounds zurück und kündigten mit Joy, das am 28.10.2016 unter Because Music veröffentlicht wurde, ihre aktuelle Platte an, die erstmals den Fokus der Produktion auf Gesang legt. Unterstützung erhielten sie hierbei vom kanadischen Folksänger und Poeten Beaver Sheppard.

Blickt man auf ihre bisherige Karriere als Live-Performer, erstreckte sich ihre Bühnenpräsenz von kleinen Clubs über Konzerthallen bis hin zu den populärsten Festivals: Mit Stationen wie dem Glastonbury, Coachella, dem Berliner Berghain oder der Kölner Philharmonie lässt sich nur nochmals andeuten, wie vielfältig und variabel gleichermaßen das Publikum ist, das von Brandt Brauer Frick angezogen wird. Mit ihrem Debüt You Make Me Real, das im Jahre 2010 noch mit minimalistischem Techno-Tracks auf Basis von Akustikinstrumenten bestach, legten sie den Grundstein. 2011 folgte mit Mr. Machine eine pompöse Wendung in Kooperation mit zehnköpfigem Orchester, vor drei Jahren äußerte sich mit Miami eine Hinwendung zu dunkleren, funkigeren Sounds mit komplexeren Klangstrukturen.

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Brandt Brauer Frick. Photo: Max Parovsky.

Es ist also nicht überraschend, dass sich Brandt, Brauer und Frick mit ihrer Neuveröffentlichung 2016 nochmals in individuelle Gewänder kleiden und einer musikalischen Richtung widmen, die erneut mit jeglichen Konventionen bricht. Was den Hörer erwartet, setzt die Emotion der Euphorie (,,Joy“) in unterschiedlichen Intensitäten, Texturen und Genres. Die 80-er Jahre schlugen sich in diesem Jahr musikalisch fast wie ein Hype auf verschiedene Produktionen nieder und erfreuten sich großer Beliebtheit. So bedient sich ebenso die neue Platte Joy, Einflüssen aus Krautrock, Punk, Indie-Rock, New Wave und wird erstmals mit Gesang strukturiert. Ohne sich lyrisch zu weit aus dem Fenster zu lehnen, definiert die Band selbst die behandelten Themen als ,,post-religiös“, die mit einer Nuance Skeptizismus das Gefühl der Freude in den Kontext einer instabilen, unsicheren Zeit setzt. Der kleine Nietzsche-Exkurs sei eingeleitet.

Eine Umstrukturierung des kompositorischen Aufbaus war demzufolge notwendig, sodass die Sounds dieses Mal fragmentarisch auf die Stimmlinien und Vocals von Beaver Sheppard abgestimmt werden mussten. Im Anschluss entwickelte die Band mehrere instrumentale Schichten, die im gegenseitigen Austausch von Rohschnitten zusammengefügt wurden und eine intensive Arbeitsphase mit sich zogen, die enorm produktiv war. Bereits die erste Single-Auskopplung ,,You Can Buy My Love“ spielt mit einer dramatisch-orchestralen Umsetzung, die stetig von schnellen Takten durchzogen wird. Der gewonnene Höreindruck erinnerte stimmlich doch sehr an die frühen Werke von Hot Chip und deutet somit darauf hin, dass sich Joy doch eher wie ein Bandkonzeptalbum zu entwickeln scheint.

Während ,,City Chicken“ einer der ruhigeren Songs des Albums ist, der mit Loops, jazzigen Trompeten und Pianoeinlagen arbeitet, mutet ,,Society Saved Me“ eher düster an und spielt mit tiefen Mol-Tonlagen, die sich in Hall transformieren und von Klavier und Drums als Grundinstrumentalisierung dominiert werden. Der Einfluss der 80-er macht sich besonders in den glitchig bis theatralischen Texturen des Zwischentracks ,,Oblivious“ bemerkbar, in dem unterschiedliche Instrumente  geballt aufeinandertreffen und mit fast bedrohlichen Wavepassagen voranschreiten, die gepaart mit ihren Vocals Referenzen zum experimentellen Post-Punk aufkommen lassen. Für den Einstieg in das nächtliche Treiben, empfiehlt es sich, in die dunkleren Klangfacetten von ,,Holy Night“ einzutauchen, die von elektronischen, mechanischen Elementen gebrochen werden, während der Gesang optimal auf ihre Tempi angepasst ertönt und in funktionierenden Tanzrhythmen mündet.

Eine besondere Perle des Albums ist der Track ,,Facetime“, der durch symphoniegleiche Kompositionen besticht, die Ergänzung durch Synthesizer finden. Ab der zweiten Minute steigert er sich in euphorischen, fast ambientträchtigen Elementen, die ein kleines akustisches Gänsehauterlebnis beim Hörer heraufbeschwören. Gleichzeitig dient er als Musterbeispiel, die unterschiedlichen Texturen und Intensitäten der Freude audiovisuell greifbar zu machen. ,,Away From My Body“ zeugt hingegen von einer schnelleren Rhythmik die durch ein Bläserorchester an Dynamik gewinnt und zeitgleich von gesprochenen Textpassagen unterstützt wird. Der dezente Wave-Charakter, der von Hall überlagert wird, variiert in seiner Lautstärke, bis er zum Ende langsam verstummt und Joy gebührend abschließt.

Fanatiker des Brandt Brauer Frick (-Ensembles) werden sowohl mit altbewährten, kurzen, eingängigen Pianoakkorden und Perkussion konfrontiert werden und gleichzeitig eine innovative Umgestaltung ihrer Sounds feststellen. Joy lebt von der breitgefächerten Genrevielfalt, die durch digitalisierte Klangstrukturen und Synthie-Elemente hervorgerufen und im gesamten 10-Track-Album vom unverkennbaren Gesang Beaver Sheppards begleitet wird. Es fällt leichter in jeden Track einzeln einzutauchen, da der Fokus auf redundante Taktung und Instrumentalisierung verschoben wurde und sich auf den Gesang zentriert.

Freude, die hier zur Hauptthematik des Albums auserkoren wurde, wird in all ihren Facetten auch beim Hörer erzeugt werden, sobald er sich diese Platte zu Gemüte führt. Sie steht folglich nicht nur dem Cover bewusst auf die Stirn geschrieben, sondern ist Programm.

 

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Denise Schmid

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