Emmy The Great – 28.03.2017 – Berlin, Auster Club

Emmy The Great hat viel zu erzählen – in und zwischen ihren Liedern.

Emma-Lee Moss’ Künstlername ist etwas irreführend. Emmy The Great, das klingt prunkvoll, aber auch ein wenig protzig. Beides hat wenig mit den Eindrücken zu tun, die einem bei der Singer-Songwriterin aus London tatsächlich durch den Kopf schießen. Sie wirkt zwanglos, freundlich und offenherzig. Anders als ihre Songs, die immer von einer gewissen bittersüßen Ironie und Ernsthaftigkeit durchzogen sind, wenn sie vom Leben und der Liebe erzählt.

Emmy The Great ist belesen und wortbegabt. Ihre Texte sind klug und poetisch. Nicht umsonst ist sie gefeiertes Talent der Londonder Anti-Folk-Szene. Doch ihr Erfolg stoppt nicht in London, auch international finden sich Bewunderer ihrer Kunst. So auch in Berlin, wo sie am 28. März im Auster Club zu Gast war. Ein dunkler, kleiner Club, der bis zum Rand gefüllt war, als Emmy The Great die Bühne betrat.

Vorher jedoch hatte Chloe Charles ihren Aufritt. Die sympathische Kanadierin entpuppte sich als hervorragende Vokalistin, ihre sphärisch-melancholische Musik war dann aber ein Müh zu schwermütig für einen sonst so angenehmen Frühlingsabend.

Anders war das bei Emmy The Great: Sie strahlte auf der Bühne. Dabei drängt sich der Gedanke auf, dass sie doch eigentlich untergehen müsste, da vorn auf der Bühne. Diese zarte Frau, zurückhaltend gekleidet, das Haar zu zwei Zöpfen gebunden – so steht sie da, mit der Gitarre in den Händen. Doch das ist nicht der Fall. Sie ist aufgeschlossen und interaktiv. Die Künstlerin plaudert mit ihrem Publikum.

Dabei spricht sie aber auch ernste Themen an. Charmant beklagt sie sich über den Brexit und erklärt ihr komplexes Verhältnis zu ihrem Geburtsland China. Moss verbrachte zwar den Großteil ihres Lebens in der Heimat ihres englischen Vaters, hat aber eine chinesische Mutter und wurde in Hong Kong geboren. Sie berichtete, wie sie lange Zeit versuchte, ihren Platz in England zu finden und dabei ihre chinesische Seite fast völlig vernachlässigte. Als sie 30 Jahre alt wurde, überdachte sie ihre Einstellung und versucht seitdem, eine engere Verbindung mit diesem Teil ihrer Herkunft zu pflegen. Ihren Song „Social Halo“ sang sie deshalb halb auf Englisch, halb auf Mandarin.

Zwischen Stücken wie „Part Of Me“ und „Paper Forest“ schuf die Künstlerin Platz für Publikumswünsche, wodurch es auch bedeutend ältere Stücke wie „Dinosaur Sex“ und „24“ spontant auf die Setlist schafften. Gegen Ende ihrer Performance präsentierte sie einen neuen Song namens „Mahal Kita“, in dem sie auf die prekäre Situation von Migranten, die als Hausangestelle in Hong Kong arbeiten, eingeht.

Die Anerkennung, die Emmy The Great erfährt, ist verdient. Sie ist nicht nur eine begabte Singer-Songwriterin, sondern versteht sich auch auf Live-Performances. Egal, ob sie spricht oder singt, sie ist immer eine brilliante Geschichtenerzählerin. Es ist also wärmstens zu empfehlen, ihr zuzuhören.

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Foto: Ariane Seidl

Ariane Seidl

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Ariane Seidl

Irgendwer zwischen Milhouse und Zoidberg. Körperklaus aus Leidenschaft, Hai-Fangirl aus Überzeugung.