Giant Rooks – 10.04.2017 – Leipzig, Täubchenthal

Irgendwo zwischen Art-Pop-Debatte und Kindergartenwitzen: Giant Rooks verdienen von uns das gleiche Maß an Ernsthaftigkeit, mit dem sie Musik machen.

Von außen betrachtet erscheint das Leben als Giant-Rooks-Mitglied anstrengend: Entweder musst du ständig jedem den Begriff „Art-Pop“ erklären (ohne so richtig zu wissen wie) oder du wirst mindestens genauso häufig auf dein Alter reduziert. Ähnlich kompliziert lebt es sich für Fans der Band. Rezensionen und Konzertberichte lassen sich zunehmend schwerer aushalten, weil ständig auf folgenden zwei Dingen herumgeritten wird: Ach, was sind die jung und ach, was ist der Sänger hübsch.

Danke, wir haben es begriffen. Giant Rooks arbeiten auffallend gut für ihr Alter und sehen besser aus als herkömmliche Lastkraftwagen. Jackpot. Jetzt wissen das mittlerweile aber auch schon allerhand Menschen, was es nur noch überflüssiger macht, ständig penetrant darauf hinzuweisen. Uns beim Ahoimag würde das natürlich niemals einfallen.

Um fair zu bleiben: Wahrscheinlich ist jeder Mensch perplex, der Giant Rooks zum ersten Mal hört. Zwei der fünf Bandmitglieder stehen kurz vor dem Abitur und trotzdem machen sie hochwertigen Indie-Pop – oder auch Art-Pop, für diejenigen, die darauf bestehen -, der international konkurrenzfähig klingt. Dass darüber gesprochen wird, ist verständlich und logisch. Dennoch kann der ehrlich Interessierte nur eine gewisse Dichte an Worten wie „Mädchenschwarm“ oder „Lausbuben“ ertragen, bevor er dem Musikjournalismus endgültig abschwört.

Giant Rooks. Foto: Ariane Seidl

Bei Musik, und das ist bekannt, gilt jedoch die Faustregel: Anschauen, beziehungsweise -hören ist besser als Durchlesen. Wer klug ist, der verschwendet seine Zeit nicht mit Konzertberichten (außer mit diesem hier vielleicht), sondern geht gleich auf ein Giant-Rooks-Konzert: Am 10. April 2017 gastierte die Band aus dem nordrhein-westfälischen Hamm im Leipziger Täubchenthal. Dessen Clubzimmer war komplett ausverkauft, was in Anbetracht der Tatsache, dass das Konzert an einem Montagabend stattfand doch recht beeindruckend ist. Nicht zu vergessen, dass es sich um Giant Rooks‘ erste eigene Headlinetour handelte.

Zur Unterstützung hatten sie diesmal den Singer-Songwriter Albert Af Ekenstam dabei. Schnell wurde klar, dass er sich darauf versteht, seiner Gitarre und seinen Stimmbändern liebliche Töne zu entlocken. Die durchgehend ruhigen Stücke des Schweden drückten die Stimmung ein wenig, was sich jedoch schlagartig änderte, als Giant Rooks die Bühne betraten.

Sobald die ersten Töne des Openers „Thunder“ erklingen, ist das Publikum wieder ganz bei der Sache. Ebenso zügig stellt sich heraus, dass Giant Rooks ihr Handwerk beherrschen: Finn Schwieters (Gitarre), Luca Göttner (Bass), Jonathan Wischniowski (Keyboard) und Finn Thomas (Schlagzeug) betätigen ihre Instrumente genauso fehlerfrei wie Frederik Rabe (Gesang, Gitarre, Percussion), der darüber hinaus freundlich und charmant mit den Zuschauern kommuniziert. Auch an der Setlist finden sich keine offensichtlichen Makel: Die wenigen wirklich tanzbaren Stücke sind an den richtigen Stellen untergebracht und neben dem noch von ihrer ersten EP stammenden „Småland“ lassen sich aktuelle Songs wie „Bright Lies“ oder „Slow“ vorfinden. Dazwischen wiederum macht die Band Platz für bisher unveröffentlichte Tracks wie „Reading The News“ oder „Walled City“. Nachdem die ersten acht Songs ein Ende finden, ist es Zeit für den Zuschauerliebling „Chapels“.

„Chapels“ ist da so ein Ding: Die Akustik-Version auf der Debüt-EP The Times Are Bursting The Lines war ja schon ein guter Anfang, die Studio-Version vom Nachfolger New Estate eröffnete sogar noch mehr Potential des Stücks, doch letztendlich (und im Prinzip wenig überraschend) gefällt es live dann doch am besten. Der kluge Dynamikwechsel des Songs verhindert, dass das Publikum in der zweiten Hälfte des Konzertes wegdriftet und ebnet den Weg für Giant Rooks jüngst veröffentlichte Single, „New Estate“.

Mit den Worten „Bob Dylan darf man eigentlich nicht covern“ kündigt Rabe die Coverversion von „I Shall Be Released“ an, die ebenso souverän durchgezogen wird wie „Mia & Keira“, der vorläufig letzte Song des Abends. Nach kurzer Pause kehren die fünf Musiker dann zur obligatorischen Zugabe zurück auf die Bühne, um sich mit den zwei älteren Songs „Rituals“ und „Itchy Feet“ entgültig zu verabschieden. Hinterher sind die Bandmitglieder erwartungsgemäß am Merchstand anzutreffen, wo sie mit glücklichen Konzertbesuchern plaudern und froh sind, dass ausnahmsweise niemand den Begriff Art-Pop hinterfragt. Wahrscheinlich.

Fazit: Giant Rooks verdienen es, ernst genommen zu werden. Unabhängig davon, wie alt sie sind. Ihr musikalisches Schaffen ist ausgezeichnet, nicht nur „ausgezeichnet für ihr Alter“. Sie wirken ernsthaft und diszipliniert, aber nicht verkrampft. Wie jede andere Band auch können sie noch wachsen und sich verbessern, aber fürs Erste erscheint es ausreichend, wenn sie einfach genauso weitermachen wie bisher.

Oh, und eine Sache noch zum Schluss: Giant Rooks sind mit Sicherheit vieles, aber keine Lausbuben.

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Foto: Ariane Seidl

Ariane Seidl

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Ariane Seidl

Irgendwer zwischen Milhouse und Zoidberg. Körperklaus aus Leidenschaft, Hai-Fangirl aus Überzeugung.