Elif nahm mit 16 Jahren bei der Castingshow Popstars teil. Mittlerweile ist sie 25 Jahre alt und macht ihre ganz eigene Musik. Melancholischen Deutsch-Pop/Chanson. Vor ihrem Auftritt vergangenen Samstag in Reutlingen traf ich die Deutsch-Türkin zu einem Interview und plauderte mit ihr über ihre Tour, ihre Musik und ihre Entwicklung als Musikerin.
Wie läuft deine Tour bisher?
Ich glaube das ist die schönste Tour, die wir bisher gemacht haben. Es verläuft alles so reibungslos. Die Crew versteht sich untereinander sehr gut und ich weiß es sehr zu schätzen, dass ich so viele Leute dabei habe. Ich habe bereits zwei Akustiktouren gespielt, bei denen ich selbst gefahren bin und den Merch selber verkauft habe. Das ist wirklich ein riesengroßer Unterschied und sehr schön zu wissen, dass man Leute dabei hat, die sich um alles kümmern.
Du bist damals durch Popstars bekannt geworden. Allerdings wolltest du lieber deine eigene Musik schreiben und präsentieren, statt nur die Musik zu machen, die andere dir vorgeben. Wie war das damals? Haben sie dir direkt angeboten, deine eigene Musik zu machen?
Zwei Wochen nach der Castingshow habe ich einen Plattenvertrag von Universal angeboten bekommen. Diesen habe ich angenommen. Ich hatte gute Berater, die sehr gut auf mich aufgepasst haben. Es war ziemlich cool, dass sie mich damals nicht verbiegen wollten. Sie haben nur den Rohdiamanten gesehen und gefragt was ich brauche um diesen auszuarbeiten. Und so habe ich Leute kennengelernt, mit denen ich heute noch schreibe und arbeite. Das ist natürlich nicht bei jedem so. Ich hatte viel Glück. Es hätte auch nach hinten losgehen können. Aber jetzt bin ich hier und ich bin immer noch Elif.
Das heißt du würdest es heute wieder genauso machen, wenn du nochmal die Chance dazu hättest?
Ich bereue es nicht, bei der Castingshow mitgemacht zu haben. Ich habe mir gerade vorhin noch den Castingsong „I caught myself“ von damals angehört. Das ist jetzt schon acht Jahre her. Unglaublich wie schnell die Zeit vergangen ist. Meine Kollegen sagen immer „Elif, du bist schon so ein alter Hase“, obwohl ich erst 25 bin. Aber dieses ganz früh anfangen und sich ausprobieren und überlegen, wo man hin will und sich weiterbilden finde ich sehr wichtig. Ich denke, dass man schon daran arbeiten muss Texter zu werden und dass sich da ein Verständnis für entwickeln soll. Daher bin ich froh, früh angefangen zu haben. Außerdem sollte man immer auf sein Bauchgefühl hören und den Kurs halten und sich nicht von Zweifeln abbringen lassen.
Welche Musik hörst du denn gerne privat?
Als ich das Album Doppelleben geschrieben habe, habe ich ganz viel Ólafur Arnalds gehört. Das ist ein isländischer Musiker, der ebenfalls melancholische Musik macht. Nachdem die Platte fertig war, habe ich dann ganz gerne Taylor Swift und Dua Lipa gehört. Und auch Jazz und Funk, also fröhlichere Musik. Ich denke, mein drittes Album kann dann jetzt auch etwas fröhlicher werden. Ich fühle mich jetzt anders. Als Teenager ist man, glaube ich, sehr melancholisch. Mit Mitte 20 habe ich diese Themen jetzt abgeklappert und es können neue Themen kommen.
Wann hast du angefangen deine eigenen Songs zu schreiben?
Ich habe mit elf/zwölf Jahren angefangen und viel von Silbermond und Juli gecovert. Die Sängerinnen waren Frauen mit denen ich mich identifizieren konnte. Allerdings wollte ich nicht deren Geschichten singen. Und so habe ich dann mit den ersten Akkorden auch erste Texte geschrieben. Der Drang mich zu erklären und zu vermitteln steckte schon immer in mir drin.
Wie läuft das Songschreiben bei dir ab?
Oft habe ich zuerst etwas auf der Gitarre was mich emotionalisiert. Danach kommt das Thema und dann versuche ich das in Worte oder Textfetzen zu fassen. Die Melodie ist etwas Göttliches und fällt mir nicht schwer. Sie kommt irgendwann als wäre sie immer da gewesen. Aber der Text ist so menschlich und anstrengend und dauert viel länger.
Wann hast du bemerkt, dass die Musik für dich mehr als nur ein Hobby sein soll?
Als ich nach der Castingshow den Plattenvertrag bekommen habe, wusste ich, dass das genau das ist was ich mir gewünscht habe. Ich hatte nie einen Plan B. Ich wollte immer selber die Künstlerin sein. Ich will nicht im Management sitzen oder Büroarbeit machen. Ich wollte immer meine Vision in Wort und Klang bringen. Dass sich das alles so erfüllt hat, ist sehr gut. Ich wüsste auch nicht was ich sonst machen soll. Ich interessiere mich ein bisschen für Interior Design und Malen. Aber Musik machen macht mir am meisten Spaß. Es ist so vielfältig. Man ist auf der Bühne, im Studio, dreht Musikvideos und kann auch selber Regie machen. Es gibt immer etwas, das ich vorher noch nicht gemacht habe. Zum Beispiel als Vorband für jemanden auf der Bühne stehen. Es gibt so viele erste Male und man muss sich auch immer wieder mal überwinden und neu erfinden.
Gab es mal einen Moment in dem du gedacht hast, vielleicht mache ich doch lieber etwas anderes?
Ja, gab es. Aber nur weil ich meinen Eltern einen Gefallen tun wollte. Jetzt bin ich aber an einem Punkt, an dem ich weiß, dass ich viele Leute zu beschäftigen habe. Es hat nicht mehr nur mit mir zu tun. Daher muss ich für mich und die anderen weitermachen. Ich lasse mir da auch von niemandem mehr reinreden. Dafür ist es mittlerweile zu spät. (lacht)
Deine Texte sind sehr persönlich und emotional. Ist es nicht manchmal unangenehm, deine innersten Gedanken und Gefühle mit all den Menschen zu teilen?
Ich finde es spannend wie Leute Emotionen, die ich gefühlt habe für sich aufnehmen. Es ist kein Selbsttherapiealbum. Die Songs sind offen und auch für Menschen da draußen, die sich mit Themen wie Liebeskummer identifizieren können, aber das nicht in Worte fassen können. Beim Hören meiner Musik stellen sie dann fest, dass dies genau das ist was sie sagen wollten.
Du singst in „Doppelleben“ davon, dass du deiner Familie gern mehr von dir und dem was du tust erzählen möchtest. Heißt das, sie weiß gar nicht so genau was du so machst? Kommt sie zu deinen Konzerten? Und was sagt sie dazu?
Meine Eltern kommen zu meinen Konzerten. Ich wollte aber etwas Tieferes damit sagen. Ich habe festgestellt, dass wir uns immer weniger erzählt haben. Meine Eltern haben das mit ihren Eltern genauso erlebt. Die Kinder haben sich abgeschottet und es wurde weniger kommuniziert. Aus Angst, nicht geliebt zu werden, wenn man sagt was man denkt. Und so wurde die Kluft immer größer. Ich dachte mir, ich muss diesen Kreis durchbrechen. Sonst gebe ich das an meine Kinder genauso weiter. Eine offene und ehrliche Beziehung finde ich unglaublich wichtig. Ich habe mich einfach nicht verstanden gefühlt und mir hat diese Basis gefehlt, die ich daher in Beziehungen gesucht habe. Dann habe ich die Sache an der Wurzel angepackt und dabei dieses Lied geschrieben. Das Lied hat auch etwas verändert. Es ist besser geworden und ich habe meine Basis gefunden. Jetzt brauche ich sie nicht mehr in Beziehungen zu suchen. Man sollte die Probleme von der Wurzel an bekämpfen und von dort aus weitergehen. Meine Familie kommt jetzt noch lieber zu meinen Konzerten, da wir uns besser verstehen. Mein Vater hat mich mal gefragt, ob ich das alles selber mache. Da hat er dann gemerkt wie schwierig es ist aus dem Nichts etwas zu erschaffen was Menschen dann berühren kann.
Welche Wünsche und Pläne hast du für die Zukunft?
Dass es immer ein Stück weiter nach vorne geht und keinen Rückschritt gibt. Es kann ruhig langsam gehen. Hauptsache es geht immer nach vorn. Mein Traum ist es einmal auf der Waldbühne in Berlin ein eigenes Konzert vor 17.000 Menschen zu spielen. Dann kann ich alles was ich im Kopf habe umsetzen, da Geld dann keine Rolle mehr spielt. Man kann sich zum Beispiel ein Orchester auf die Bühne holen.
Möchtest du zum Schluss noch etwas los werden?
Steht für euch selber ein. Das möchte ich jedem mitgeben. Verstellt euch nicht. Seid so wie ihr seid. Wenn jeder so wäre, glaube ich, wäre die Welt ein Stück besser.
DOPPELLEBEN TOUR 2018
21.03.18 – Erlangen, E-Werk
22.03.18 – Dresden, Beatpol
23.03.18 – Hamburg, Mojo Club
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Foto: Pressefreigabe