Courtney Barnett – Tell Me How You Really Feel

Courtney Barnett überzeugt mit lyrischem Gespür und einer musikalischen Mischung, die klar macht, was die junge Australierin schaffen will.

Vor gut drei Jahren machte die Australierin mit ihrer rockigen und zugleich rotzigen Musik auf ihrem ersten Longplayer mit dem witzigen und intelligenten Namen Sometimes I Sit and Think, and Sometimes I Just Sit in der Indieszene auf sich aufmerksam. Ein Jahr später war sie sogar in der Kategorie „New Artist“ für den Emmy nominiert. Seitdem ist viel passiert, sie hat letztes Jahr mit Ex-TheWar on Drugs-Mitglied Kurt Vile eine schönes Album als Duo produziert, wobei dem Album der nötige Esprit etwas gefehlt hat. Nur ein Jahr später folgt nun mit „Tell Me How You Really Feel“ das nächste Soloalbum der hochtalentierten Courtney Barnett.

Die Platte geht ruhig und behäbig, melancholisch nahezu nachdenklich mit „Hopefulessness“ los, ganz unerwartet aber dennoch schön. Mit stilistischen Ähnlichkeiten zu Slowdive gehts auf „City Looks Pretty“ weiter. Hier beschreibt die Australierin die Einsamkeit, mit der viele Menschen und sie selbst eingeschlossen in großen, scheinbar schönen Städten zu kämpfen haben. Generell lässt Courtney auf ihrem zweiten Album eher die ruhigeren Töne in den Vordergrund rücken. Ihr starkes und witziges Songwriting kommt dadurch mehr zur Geltung.

Wo musikalisches und lyrisches Talent besonders hervorstechen, lässt sich bei ihrer ersten Single „Nameless, Faceless“ erkennen.  Ein Song gegen all diese Internet-Trolle im Netz. Sie beleidigt dabei nicht, sie begibt sich nicht auf dieses Niveau, sondern antwortet intelligent und authentisch auf dieses Phänomen, von welchem vor allem Frauen in sozialen Netzwerken betroffen sind. Dies bekräftigt Courtney mit einem schönen Zitat im Song von Margaret Atwood: „Men are afraid that women will laugh at them; women are afraid that men will kill them.“ Aber es geht nicht nur um Angriffe im Netz, sondern auch um Angriffe in der realen Welt, wie zuletzt in Toronto, ein Anschlag der vor allem Frauen treffen sollte, wie Zeit Online berichtete. Im nächsten Stück „I´m not your Mother, I´m not your bitch“ legt die Singer-Songwriterin aus Sydney gleich gekonnt nach mit einem rockigen Gitarrenriff und provozierendem Refrain. Zwei Minuten wird hier voll durchgepowert.

Die Platte soll aber kein durchgehender Rage auf alles Mögliche sein. Courtney gibt sich gegen Ende hin versöhnlich und schafft Platz für verpeilte Indie-Hits wie „Walking on Eggshells“ und den schönen Abschlusssong „Sunday Roast“, der die Menschlichkeit von ihr zeigt, einfach mal daheim chillen zu wollen. Passend dazu wurde wohl auch das Musikvideo mal in „low budget“ gedreht, denn die sympathische Australierin sitzt daheim rum und zupft liebevoll an der Gitarre.

Courtney Barnett ist an ihren musikalischen Aufgaben gewachsen und liefert mit „Tell Me How You Really Feel“ ein melodisch stimmiges und textlich anspruchsvolles Album. Jedenfalls wäre es schwer, mit einer Buchstabensuppe diese wundervollen Texte hinzubekommen. Das riecht eher nach einem langen und anstrengenden Scrabble-Abend, wer hier versucht, Wort für Wort nachzubauen.

Courtney Barnett geht mit ihrem Album in folgenden Städten auf Tour:

11.6.18 – Berlin, Astra Kulturhaus
13.6.18 – Köln, Live Music Hall

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Bildquelle: Pressefreigabe

Daniel Guggeis

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