Interview: Tora

Die australische Band Tora begeistert seit Jahren mit einem genial verpackten elektronischen Sound seine Fans. Kurz vor der Veröffentlichung ihres zweiten Studioalbums „Can´t buy the Mood“ (VÖ: 09.08) treffe ich mich mit Schlagzeuger Thorne und Bassist Shaun zum Interview in ihrer vorübergehenden Bleibe in Berlin.

Als ich das erste Mal das Albumcover zu eurem neuen Album Can´t buy the Mood gesehen habe, musste ich irgendwie an einen Ikea-Katalog denken. Klar, eure Musik ist nicht so simpel, wie so ein Katalog, aber was war der Gedanke hinter diesem Look?

Thorne: Ja, wir wollten etwas weg kommen von dem was wir davor gemacht haben. Jai und ich haben für die Alben immer das Artwork gestaltet. Wir wollten mit diesem Album das erste mal unsere Gesichter auf dem Cover haben, um uns ein Bandimage zu schaffen. Wir wollten trotzdem einen minimalistischen Look. Es wurde in Zusammenarbeit mit den Fotografen am Ende dieser ikeaske skandinavische Minimalismus. Wenn ich jetzt so drauf zurückschaue, war unsere Intention nicht so ein an der Mode orientertes Cover zu schaffen. Es sollte generell einfach menschlicher wirken.

Shaun: Ich denke der Schlüssel war der Band ein Gesicht zu geben. Denn viele Leute haben bisher nicht realisiert, wer in der Band ist. Durch dieses Bild, was sie von uns haben können sie sich besser mit uns identifzieren, sowas kann sehr wichtig sein für eine Band.

Thorne: Und ebenso repräseniert das Cover unseren Stil auf diesem Album Es ist eine Menge Raum zwischen dem was da passiert. Ein Song kann noch auf seine rohen Elemente reduziert werden, nichts soll zufällig wirken.

Was die Gesichter angeht, hat es funktioniert. Obwohl ich euch zweimal live gesehen habe, konnte ich mich nicht mehr an eure Gesichter erinnern bis ich das neue Albumcover gesehen habe.

Aber nicht nur bei eurem Cover habt ihr euch viel überlegt, sondern auch bei euren Musikvideos zu Morphine und Can´t Buy the Mood. Die Videos erzählen die gleiche Story, nur mit zwei unterschiedlichen Enden, ich bin mir aber unsicher, ob die eine positiv und die andere klar negativ ist. Welche Idee steckte da dahinter?

Thorne: Das Konzept dafür kam kurz nachdem wir diesen Netflix-Film Bandersnatch gesehen haben. Ein Film, bei dem man selbst über die Handlung entscheiden kann. Ich denke wir haben das nicht ganz getroffen, wenn ich ehrlich bin. Die Intention dahinter war einfach mal was völlig anderes für Musikvideos auszuprobieren.

Das hat in eurem Fall auch gut funktioniert. Vor allem in Zeiten in denen Musiksender wie MTV tot sind und sich alles sehr auf Spotify konzentriert, ist so ein individuelles Konzept gut um Aufmerksamkeit zu bekommen. Weltweit wurde euch auch schon Aufmerksamkeit geschenkt, ihr seid zuletzt viel rumgereist. Amsterdam, Berlin, London und Los Angeles. Gabs da einen Ort, der für euch einen besonderen Einfluss aufs Album hatte?

Thorne: Ich bin mir nicht sicher, ob es nicht noch mehr Einflüsse hat. Ein Großteil des Albums entstand in Australien. Aber unser Sänger Joe ist viel rumgereist und hat an Co-Writing-Sessions teilgenommen

Shaun: Genau er ging nach England und nach L.A. Es hat mindestens eineinhalb Jahre gedauert bis wir das Album zusammen hatten. Auf der letzten Europa Tour haben die ersten Arbeiten begonnen, der Einfluss ist natürlich breit gefächert. Aber so richtig fokussiert gearbeitet haben wir dann erst daheim in Byron Bay, dort haben wir alles zusammengeführt. Dort saßen wir sechs Wochen in einem Haus mit Studio zusammen. Wenn du an der Musik arbeiten willst, wachst du auf und gehst gleich ins Studio, ansonsten gehst du schwimmen oder surfen.

Thorne: Man muss auch ehrlicherweise sagen Inspiration ist schwierig zu beschreiben. Wenn Leute behaupten, „Ja genau das is das was sie insipriert hat“ dann ist das nur das, was sie denken, was sie insipriert hat. Es gibt so viele kleine Einflüsse im Leben die zusammenkommen, wenn man einen Song macht. Ja klar hat man mal eine emotionale Erfahrung, die sich durch den Song zieht. Aber von meiner Warte aus kann ich keinen speziellen Einflussfaktor benennen. Aber eins ist sicher, wir haben viel Zeit in Deutschland verbracht und wir lieben hier die Kultur und die Musikszene, vor allem was in Berlin passiert.

Woher kommt das denn? Eure Landsmänner Parcels sind ja ebenfalls nach Berlin gegangen. Ich hab auch gehört ihr überlegt ebenso in Berlin zu bleiben.

Thorne: Ja vielleicht. Ich denke Deutsche sind ziemlich cool, weil sie über ihre Muttersprache hinaus auch Englisch sprechen. Ich mag Frankreich, aber die Sprachbarriere dort ist schon ein Hindernis. In Deutschland finde ich sogar alte Menschen, mit denen ich etwas Englisch sprechen kann. Dazu die Diversität in Berlin, so viele Kulturen und so viele verschiedene Leute, da kommt echt viel Kreativität zusammen. Es ist auch recht günstig hier zu leben, es wird viel für die Jugendkultur gemacht. Für mich als Australier ist es ein schöner Ort in Europa was zu machen. Auch London is großartig, aber einfach nicht mehr bezahlbar.

Der Brexit könnte da ein weiteres Hindernis sein.

Thorne: Richtig! (lacht)

Shaun: (lacht)

Thorne: Noch eins zu Europa und vor allem Deutschland! Hier ist man so zuvorkommend. Wenn wir zu einem Gig kommen, fühlst du dich sehr willkommen. Die Leute kümmern sich um dich. In anderen Ländern, selbst in Australien, sind manche unfreundlich und nicht so hilfsbereit, wie hier.

Ihr habt gerade schon über die Diversität in der Musikszene gesprochen. Viele weibliche Künstlerinnen, wie Soccer Mommy, Snail Mail, Phoebe Bridgers gehen gerade steil. 2019 steht auch etwas dafür, dass wir weg vom männlichen Indie-Quartett hin zur Frau mit Gitarre kommen. Ihr seid als Band ersterem zuzuordnen, also was könnt ihr für die Diversität in der Szene tun?

Thorne: Unsere Tür steht für alle Künstlerinnen immer offen. Eine weibliche Stimme zu unseren Songs hinzuzufügen, bringt eine völlig neue Dynamik rein. Das wirkt einfach erfrischend. Ich selber denke über den Fakt der Geschlechterungleichheit in der Musikszene nicht nach. Das ist schon mal ein Teil des Problems, weil ich ein Mann bin ist es nicht in meinem Gedankenspektrum. Aber viele Künstlerinnen aus unserem Freundeskreis erzählen uns, wenn du nicht hübscht bist, dann wirst du es nicht schaffen. Das ist genau dieses Sex-Sells-Ding. Aber ich denke, dass coole an Musik ist gerade, man hört es sich an ohne ein genaues Gesicht vor sich zu haben. Wir wollen mit so vielen Leuten wie möglich arbeiten, wir lieben es einfach Musik zu machen.

Mit euren Features unterstützt ihr seit Beginn eurer Karriere ja schon Sängerinnen, wie Anna Boi jetzt auf diesem Album. Es macht den Sound der neuen Platte auch vielfältiger. Mit dem Album „Can´t buy the Mood“ macht ihr aber auch eine spannende und aktuelle Debatte auf. Wenn wir an all die Vorfälle im Musikbusiness in den letzten Jahren denken, wurde wohl nochmal klarer, dass Reichtum und Erfolg alleine nicht glücklich macht.

Shaun: Jeder Song auf der Platte hat einen anderen Ursprung. Manchmal ist es die Liebe oder eine Beziehung, manchmal aber familiäre Probleme. Selbst an guten Tagen kann es Schwierigkeiten geben. Der Song Deviate thematisiert zum Beispiel die Abkehr von dieser krassen Abhängigkeit zu Smartphones und generell Technologie. Aber zum Albumtitel generell hast du es schon genau richtig getroffen. Die Message ist, egal wie reich du bist, du kannst dir kein Glück kaufen. Wichtig sind einfach die Familie und Freunde um dich herum. Der Titeltrack, den Joe geschrieben hat, soll das auch transportieren.

Auf das Album habt ihr mit Tiger noch einen coolen Track gepackt. Der Sommer-Vibe hat mich gleich begeistert. Was steckt hinter dem Song?

Shaun: Es ist einer der jüngsten Songs auf dem Album. Manche Songs sind schon vor über einem Jahr entstanden, aber Tiger wurde wirklich erst im Studio in Bryon Bay kreiert. Der Song hat sich spannend entwickelt, es ist ein anderer Sound im Vergleich zu dem was wir davor gemacht haben. Es war zugleich der schwerste Song, die Produktion war anders, also saßen wir echt bis zum letzten Tag davor und haben überlegt wie wir den Song ins restliche Album einbetten können. Er war unser kleines Biest, aber wenn wir jetzt zurückschauen ist es so wichtig ihn reingepackt zu haben.

Ja als ich das erste Mal das Album komplett angehört habe, fand ich auch, dass der Song zum einen sehr spontan wirkte im Vergleich zu den anderen Tracks, aber andererseits merkt man wie schwer es gewesen sein muss, den da perfekt ins Album einzubetten. Wer weiß vielleicht wirds ein Hit?

Shaun: Das wäre großartig! Wir waren uns auch nicht so sicher, wie das Publikum bei dem Song reagiert. Es ist wie einen Würfel werfen! Aber es ist schön zu sehen, dass die Fans bisher den Song und den Sound gut annehmen.

Thorne: Ich liebe es, dass wir mit Tiger einen Song veröffentlicht haben, der zeigt, wie wir das Spektrum von Tora erweitert haben. Ich wünsche mir für jedes Album, dass dieses Netz weiter gespannt wird. Wenn ich an Bands denke, die das wirklich gut beherrschen, wie zum Beispiel Radiohead. Die machen so lang schon Musik, Thom Yorke als Solokünstler auch und er ist nie stehen geblieben, sondern seine Songs sind immer aktuell.

Ich bin gespannt, wie ihr euch weiter entwickelt, vielen Dank für das Interview!

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Bildquelle: Pressefreigabe

Daniel Guggeis

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